Was folgt sind Voraussetzungen zum Erfolg einer Mannschaft.
Sie kommen teilweise aus dem Wissen des Schreibers und teilweise aus den USA
(Football), aus England (Rugby) und aus anderen Sportarten, treffen aber ebenso
gut auf den Fußball zu. Warum sollten wir die Voraussetzungen anderer Länder
und Sportarten annehmen, werden Sie vielleicht fragen. Weil wir bisher, so
scheint es, nur vom Fußball gelernt haben. Fußball ist aber nicht der einzige
Teamsport. Er ist einer von vielen und, obwohl er große Zahlen aufweist und
viel Geld umsetzt, nicht besonders entwickelt. Im Fußball fehlt noch viel.
Daher können wir von anderen Sportarten lernen.
Was folgt könnte eine Grundlage für Ihre Begrüßungsansprache sein, wenn Sie am
Anfang der neuen Saison zum ersten Mal mit Ihren Spielern zusammenkommen.
Einige der Voraussetzungen, die folgen, sind an die Spieler adressiert, andere
an Sie.
1. Der Wille zu gewinnen. Wenn der Wille fehlt - und das ist im
Fußball eine große Versuchung, einfach jeden Monat Ihr Geld einzuziehen, selbst
gut auszusehen, sich aber nicht sehr um das Gewinnen oder Verlieren zu kümmern
(Sie haben ja die richtigen Worte für die Presse auswendig gelernt, sollte ihre
Mannschaft verlieren) - können Sie nicht erwarten, dass Ihr Team gewinnt. Und
genau so sieht es oft auf den Spielfeldern aus. Die Worte Ihres Trainers nutzen
nichts, ein neuer Trainer kommt, greift zur Peitsche, alles läuft gut für eine
Weile, bis die Peitsche nicht mehr hilft. Dann wiederholt sich der Prozess.
Also, der Wille zu gewinnen muss in Ihnen, Ihren Mitspielern und im Team als
Ganzes vorhanden sein, unabhängig von Ihrem Trainer.
2. Eine totale Hingabe zum Fußball. Wenn Sie Profi sind und der
Verein Sie gut bezahlt, sehr gut sogar in vielen Fällen, dann kann man für die
wenigen Jahre, in denen Sie aktiv sind, eine totale Hingabe zum Fußball von
Ihnen erwarten. Das heißt, der Fußball kommt vor der Familie, vor Freunden,
sogar vor sich selbst (denn das Selbst können Sie auch durch den Fußball
erkennen und fördern). Sie opfern alles für den Fußball, träumen von ihm, geben
sich ihm ganz hin. Dann, und nur dann, können Sie Ihr Potential für den Fußball
erforschen, erreichen und, genau so wichtig, erweitern. Denn Potential wächst aus
dem Erkennen des Selbst heraus.
3. Freude am Spiel. Obwohl Sie gern gewinnen und sich dem Fußball
total hingeben, dürfen Sie die Freude am Spiel nie verlieren. Denn Freude macht
das Herz leicht, sie verschafft Energie und Motivation, sie lässt Sie höher
springen und leichter und schneller laufen. Wenn der Spaß fehlt, funkt es
nicht, und das Spiel wird zur Pflicht, es schleppt sich dahin, und Sie können
den Abpfiff kaum erwarten. Das ganze Spiel wird dann ein tristes Gekicke, das
sich auch auf die Zuschauer überträgt. So gehen sie lange vor dem Abpfiff nach
Hause. Denn auch die Zuschauer wollen Freude am Spiel haben, und nur Sie können
diese Freude vermitteln. Daher kommen die Zuschauer ins Stadion. Daher sind Sie
verpflichtet, den Zuschauern Freude zu bereiten - indem Sie selbst Freude am
Spiel haben.
4. Einen hohen Standard haben. Wie Sie wissen, kann man Eckbälle,
Strafstöße, Angriffe, Pässe, Kopfbälle, usw., verschieden ausführen. Einen hohe
Standard haben heißt, jede Einzelheit des Spiels, persönlich und als Team, auf
dem höchsten Standard auszuführen. Also keine ungefähren Pässe schlagen,
sondern genaue Pässe, die nicht nur ankommen, sondern so ankommen, dass der
Mitspieler sie gleich und leicht weiterspielen kann. Hohe Standards haben, in
allem was auf dem Spielfeld geschieht, von der ersten bis zur letzten Minute,
ohne Ablass. Auch im Umgang mit Mitspielern, dem Gegner, Schieds- und
Linienrichtern, und den Zuschauern. Ein totaler Profi sein, sich selbst 100%
einsetzen, alle Ihre Fähigkeiten einsetzen, hellwach, bewusst und intelligent
spielen.
5. Respekt haben. Wenn Sie keinen Respekt haben, werden Sie auch
nicht respektiert, jedenfalls nicht, wenn man Sie besser kennen lernt. Respekt
haben heißt, zu wissen, dass jeder Mensch anders ist, und dass jede Art zu sein
genau so legitim ist, wie die eigene Art. Wenn Sie die Verschiedenheit der
Menschen einmal richtig verstehen, haben Sie automatisch Respekt vor Ihren
Mitspielern (und anderen Menschen), besonders wenn es diesen nicht gut geht.
Respekt muss aber verdient werden. Sie müssen sich so benehmen, auf dem und
außerhalb des Spielfeldes, dass andere Sie achten und Ihnen Ehrerbietung
bringen. Das setzt ein ziemlich bewusstes Leben voraus. Dieses Bewusstsein
kommt für die meisten Menschen spät im Leben, oft wenn sie auf dem Höhepunkt
ihrer Karriere sind. Für Sie muss es früh kommen, oft schon mit zwanzig. Sie
werden also früher als andere Menschen wach- und bewusst gerüttelt.
6. Konstruktiv sein. Konstruktiv zu denken und zu handeln ist
eine Angewohnheit. Das heißt, man kann es lernen aufbauend zu sein. Sie müssen
nur im Kopf den Schalter umdrehen. Anstatt zu nörgeln und scharf zu
kritisieren, bauen Sie in Ihre Kritik den zweiten Teil, das Aufbauende mit ein.
Sagen Sie also nicht: "Unser Passspiel war unmöglich", sondern
"Wir können unser Passspiel noch verbessern." Sehen Sie den
Unterschied? Im ersten Fall ist Ihre Kritik entmutigend, im zweiten Fall
ermutigend. Also versuchen Sie, Kritiken mit Verbesserungsvorschlägen
aufzubauen.
7. Verpflichtet sein. Sie müssen sich nicht nur der Sache des
Fußballs hingeben, sie müssen sich dem Fußball auch verpflichten. Verpflichtung
ist wie ein Schloss, das man zuschließt und anschließend den Schlüssel
wegwirft. Für die Länge Ihres Kontraktes mit dem Verein sollten Sie sich dem
Verein verpflichtet fühlen. Wenn Sie bei Schalke 04 anheuern, sollten Sie
Schalke 04 denken - und nicht mit einem Auge nach München blicken oder von Real
Madrid träumen. Das ist Teilverpflichtung, die weder Ihnen noch dem Verein
hilft. Der Verein bezahlt Sie sehr gut, nimmt sich Ihrer an, bildet Sie aus.
Dafür schulden Sie ihm. Verpflichtung ist Ihr Zahlungsmittel.
8. Eine positive Einstellung haben. "Es wird schwer sein
heute zu gewinnen" und "Heute geben wir unser Bestes." sind zwei
Einstellungen zur gleichen Sache. Wie konstruktives Denken ist eine positive
Einstellung auch lernbar. Das zeichnet die Amerikaner und Kanadier aus:
"can do" (das schaffen wir) ist die Norm. Man geht im allgemeinen mit
Freude und Energie zur Arbeit. So sollte es auch im Fußball sein. Eine
vorbildliche positive Arbeitseinstellung gehört zum Profiverein. Das Team muss
nur so vibrieren vor Spielfreude.
9. Offen sein. Das Gegenteil von Offenheit ist Verschlossenheit.
Wenn man im Verein verschlossen ist - Management gegenüber dem Trainer, der
Trainer gegenüber den Spielern - kann man nicht viel von der Mannschaft
erwarten. Verschlossenheit, Heimlichtuerei und Zugeknöpftheit sind wie Gift:
sie verseuchen das Vereinsklima und mindern die Glaubwürdigkeit. Das gilt besonders
für die Trainer-Spieler Beziehung. Wenn der Trainer nicht offen ist, vertrauen
ihm die Spieler nicht, und er hat wenig Effekt. Die meisten Menschen fürchten
die Offenheit. Sie glauben, sie offenbaren sich anderen zu sehr und geben etwas
von sich selbst weg, verschenken es, sozusagen. Das ist eine Misskonzeption.
Wenn Sie verschlossen sind, können Sie keine guten menschlichen Beziehungen
aufbauen. Als Spieler werden Sie so Ihrem Trainer fremd bleiben. Und als
Trainer werden Sie ebenfalls Ihren Spielern fremd bleiben. Wenn Spieler
untereinander auch nicht offen sind, ist der Wurm im Team, wie man so sagt.
Dann kann es auf dem Platz nicht gut klappen.
10. Zusammen sein. In England heißen viele Clubs
"United", in Deutschland "Vereinigt". Das Wünschenswerte
ist also schon im Namen enthalten. Sollte man den Namen des Vereins nicht
ehren? Ein Team muss vereinigt sein, sonst ist es kein Team. Sonst sind es
Einzelspieler, die hauptsächlich für sich spielen und gut aussehen wollen.
Einheit ist schwer zu erzielen, insbesondere wenn die Mannschaft viele
Nationalitäten enthält, die oft die Kommunikation hindern. Denn man wird eins
durch die Kommunikation und durch das Zusammensein. Ist man viel zusammen und
mag man sich - erzielt durch vielfältigen, offenen Gedankenaustausch - so
wächst man zusammen und wird zu einer Einheit. Und Einigkeit kann Berge
versetzen, sie kann also auch Fußballspiele gewinnen.
11. Einander vertrauen. Wenn ältere Leute vom Krieg erzählen,
reden sie oft von der Kameradschaft, von dem blinden Vertrauen zueinander.
Ähnlich sollte es auch bei einer Fußballeinheit sein. Spieler müssen Kameraden
sein, Kumpel, die füreinander durch Dick und Dünn gehen, die sich gerne mögen,
die einander helfen, auf die man sich verlassen kann. So entsteht Vertrauen,
aus Enge, aus Freundschaft, fast aus Liebe, zum Sport und zueinander. Man
braucht lange, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Man kann dieses
Vertrauen aber in Kürze ruinieren. Es muss daher sorgfältig gepflegt und
genährt werden. Der Trainer hilft ein Klima zu erzeugen, in dem Vertrauen blüht
und gedeiht.
12. Offene Kommunikation. Wenn man sich vertraut, redet man auch
offen miteinander. Spieler müssen sich trauen, über sich selbst, die
Mitspieler, den Trainer und das Management etwas zu sagen, ohne sich dabei in
Verlegenheit zu bringen und ohne Vergeltungsmaßnahmen zu befürchten. Spieler
reden offen miteinander, wenn sie glauben, sich auf ihre Mitspieler verlassen
zu können, wenn sie anderen helfen, wenn sie ihre Ansichten mit Mitspielern
teilen und sie ermutigen das Gleiche zu tun. Der Trainer kann hier helfen,
indem er die Spieler ermutigt über Probleme zu reden und indem er selbst
Antworten gibt, die nicht verurteilend, sondern konstruktiv und ermutigend
sind.
13. Erfolgreich sein wollen. Je mehr Spieler offen kommunizieren
und so lernen, desto stärker wird das Bedürfnis und der Wille erfolgreich zu
sein, das heißt zu gewinnen. Bedürfnis und Wille setzen sich dann in
Anstrengung um. Auch wichtig: Wenn Spieler den Erfolg suchen, sollte das Saisonziel
weder leicht noch schwer zu erzielen sein, sondern eine mittelmäßige
Herausforderung sein, die aber schwieriger ist als die der letzten Saison. Denn
Misserfolg, wenn man Erfolg sucht, ist schwer zu verarbeiten. Ein zu leichter
Erfolg verletzt auch den Stolz. Der Trainer sollte das Bedürfnis, erfolgreich
zu sein, mit kluger Hand steuern. Die Anstrengungen der Spieler sind sein
Tachometer.
14. Cliquenwirtschaft verhindern. Wenn es im Verein nur elf
Spieler gäbe, wäre es einfacher Cliquen zu verhindern. Aber der Spielkader ist
viel größer, doppelt, oft dreifach so groß wie die Mannschaft, die spielt. Von
dieser Gruppe spielen nur wenige regelmäßig. Es ist nicht möglich, diese große
Gruppe als Einheit zu behandeln, denn sie ist automatisch in Spieler und
Nichtspieler geteilt. Cliquen bilden sich aus der Notwendigkeit. Schon die
Spieler, die auf der Bank sitzen, sind eine Clique. Eine Methode, die
Cliquenwirtschaft zu umgehen, ist, den Kader in drei Gruppen aufzuteilen, je
nachdem, wo sie spielen: hinten, Mitte und vorne. Gruppen von 8 bis 10 sind
klein und gemischt genug, um eine Cliquenbildung zu mindern wenn nicht gar zu
verhindern. Die Schwierigkeit ist, dass nur 3 oder 4 Spieler von jeder Gruppe
zum Spiel auflaufen. Nur sind diese Auserwählten keine Clique. Sie sind das
Team.
15. Sich gegenseitig helfen. Man sieht oft wie Spieler sich
streiten und gegenseitig beschimpfen, wenn einer einmal einen Fehler macht. Das
ist eine Einstellung, eine Angewohnheit. Man sieht aber auch, wie Spieler sich
gegenseitig helfen, insbesondere wenn einer einen Fehler macht. Das ist eine
andere Einstellung. Die erste Einstellung ist destruktiv, ein Zeichen von
schlechter Teamarbeit und mindert den Erfolg. Die zweite ist konstruktiv, ein
Zeichen von guter Teamarbeit und mehrt den Erfolg. Sich gegenseitig zu
unterstützen, bewusst und mit Freude, ist ein Muss, wenn man den Erfolg sucht.
Die Einstellung einander zu helfen sollte zur Norm werden.
16. Disziplin haben. Wenn man den Erfolg sucht, muss man
diszipliniert sein, als Spieler und als Team. Rollenklarheit hilft. Wenn jeder
weiß, was er und seine Mitspieler zu tun haben, kommt Ordnung ins Spiel, und es
besteht kein Grund die Fassung zu verlieren. Selbstdisziplin ist etwas anderes.
Einige Spieler verlieren leicht ihre Fassung. Sie haben sich selbst nicht unter
Kontrolle und können ihre Emotionen nicht zähmen. Sie können so der Mannschaft
großen Schaden zufügen, denn sie bekommen häufig gelbe und rote Karten.
Außerdem verlieren sie ihre Konzentration und machen so mehr Fehler. Disziplin
ist also ein wichtiger Bestandteil des Teamerfolgs.
17. Geschlossenheit zeigen. Die Mannschaft hält zusammen,
arbeitet eng zusammen und ist eine Einheit. Jeder weiß, worum es geht und wo
sein Platz ist. Die Spieler verstehen einander und kommunizieren viel. Sie
können Probleme selbst lösen und sind vereint in Identität und Zweck. Sie
entwickeln eine Synergie, die viel bewältigen kann. Im Spiel greifen sie
einzeln und als Team an und verteidigen so auch. Sie stehen immer richtig, als
Einzelspieler und als Team, denn sie passen sich einer neuen Situation sofort
an. Sie schließen laufend Lücken im Team und bewahren so ihre Geschlossenheit.
Sie bleiben auch auf Flughäfen und in Hotels zusammen, lassen nichts dazwischen
kommen, auch die Familie nicht, denn sie sind ja bei der Arbeit. Und die Arbeit
wird als Team verrichtet.
18. Sich mit der Mannschaft und dem Verein identifizieren. Wir
alle haben ein Bedürfnis der Zugehörigkeit, denn wir sind ja nicht nur
Einzelmenschen, sondern gehören auch zur Gruppe. Wir brauchen den Gruppensinn,
das Gefühl, Mitglied einer Gruppe zu sein. Wir müssen uns auch durch das
Größere identifizieren können. So sollte die Mannschaft zur engeren
Verwandtschaft und der Verein zur weiteren Verwandtschaft werden. "Ich spiele
für den FC St. Pauli und bin stolz darauf. In dem Verein fühle ich mich
wohl," ist eine Art Identitätsbekenntnis. Spieler, die sich nicht mit
Mannschaft und Verein identifizieren können, verhindern den Erfolg. Es ist also
wichtig Spieler anzuziehen, die sich mit Ihrem Verein und Ihrer Mannschaft
identifizieren können, die lieber für Schalke spielen als für Dortmund (oder
umgekehrt), auch wenn die Gründe für diesen Vorzug verschleiert bleiben. Die
Identifikation ist also oft unbewusst und grundlos, aber trotzdem stark.
19. Flexibel sein. Menschen, die flexibel sind, kommen besser
zurecht im Leben. Spieler, die ihren Körper flexibel halten, haben weniger
Verletzungen. Spieler, die im Kopf flexibel sind, können sich Situationen
besser anpassen und sind so erfolgreicher. Mannschaften, die ihre Taktik auf
den Gegner einstellen und auf Bedarf ändern, haben mehr Erfolg als Mannschaften
die stur bei ihrem System bleiben, auch wenn es nicht erfolgreich ist.
Flexibilität in Körper und Kopf sind also wünschenswerte Eigenschaften.
20. Pünktlich sein. Während der Teamarbeit wirkt es als besonders
störend, wenn einer oder einige zu spät zur Aufgabe oder zur Arbeit kommen.
Strafen sind unangebracht; sie führen zu wenig, wenn, dann zu Ärger. Der Ruf
nach Pünktlichkeit kommt am besten vom Team. Peer Druck ist sehr erfolgreich,
insbesondere wenn Mitspieler an der Konzeption und Ausführung von Plänen
beteiligt sind. Wenn einer der Ihren dann zu spät kommt, gibt es ein
Donnerwetter, das Erfolg haben wird. Wenn dies nicht hilft, sollten Sie als
Trainer eine Gruppendiskussion über das Thema Pünktlichkeit inszenieren, ohne
sich selbst daran zu beteiligen.
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