In der Zone spielen

Was bringt ein Gefühl des Glücks hervor? Csikszentmihalyi, ein Psychologie Professor von der Universität von Chicago, versuchte dies herauszufinden. Er identifizierte die folgenden Merkmale: eine tiefe Konzentration, eine hoch-effiziente Leistung, eine gewisse emotionale Lebhaftigkeit, ein höherer Sinn von Meisterhaft, eine freie Art zu Sein und eine Ego-Transzendenz, dem Selbst zu. Er nannte diesen Zustand flow, Fluss, im Fluss sein. Heute nennen wir ihn auch zone, Zone, playing in the zone, in der Zone spielen. Was bedeutet das, für Sie als Spieler und für den Fußball?

Es bedeutet, dass Sie, wenn Sie in der Zone spielen, in einem anderen Bewusstseinzustand sind. Sie spielen dann nicht physisch, oder mental, sondern magisch. Ihr Spiel erhebt sich, es findet nicht auf, sondern über dem Rasen statt. Auf dieser Ebene kann alles passieren. Sie spielen dann, als ob Sie in slow motion spielen. In diesen Zaubermomenten spüren Sie, haben Sie eine Vorahnung, was sich auf dem Feld entwickelt wird und wo der Ball hingehen wird. Sie fühlen dann, dass Sie nicht nur Ihre eigenen Spieler bestens kennen, sondern auch die gegnerischen Spieler. Sie fühlen sich in diesen Momenten nicht nur freudig erregt, Ihnen läuft es auch eiskalt über den Rücken. Man redet nicht viel von dieser Eigenschaft, in der Zone zu spielen. Auch fehlen die richtigen Worte, um diesen Zustand gut zu beschreiben. Aber es gibt die Zone. Spitzensportler in der ganzen Welt erleben sie. Sie ist wie ein Geschenk des Himmels, begehrt, gewollt, aber nur wenigen gegeben.

Gipfel erklimmen

Wann spielt man außerordentlich gut? Wann geht man aus sich hinaus? Wenn man sein Handwerk - Fußwerk sollten wir besser sagen, dazu gehört auch das Kopfwerk - gut versteht. Je höher das Niveau des Spiels, desto öfter spielt man in der Zone. Die Fähigkeiten sich voll zu konzentrieren, sich psychisch aufzumuntern, sich zu fokussieren sind genau so wichtig wie die physischen Fähigkeiten, die technische Beherrschung und die taktische Einstellung. So können Sie manchmal so tief in sich hineinreichen, das Ihr Spiel perfekt wird. Dann läuft alles so, wie Sie es sich in Ihren kühnsten Träumen vorgestellt haben.

Diese "Gipfelerlebnisse" (peak experiences) sind ganz persönliche, seltene Momente, die ein Spieler nicht vergisst. Sie zeigen deutlich, dass der Sport, insbesondere der Fußball - da er global ist, also ein weitverbreiteter, in der Masse verwurzelter Weltsport - eine große, innere Zufriedenheit auslösen kann. Obwohl Gipfelerlebnisse selten sind, bleibt die Intensität des Erlebnisses im Kopf und Körper. Es wird zu einem Standard, wonach die gegenwärtige Leistung bewertet wird. Wenn Sie einmal auf dem Gipfel waren, treten Sie viel bewusster auf. Sie haben sich selbst total unter Kontrolle und lassen sich nicht von der Umgebung ableiten. Durch das Bewusstseins und die Erinnerung des großen Erlebnisses wachsen Sie so plötzlich über sich hinaus. Wer einmal ein Gipfelerlebnis hatte, will es wiederholen. So bringt er mehr Leistung, auch wenn er den Gipfel nicht wieder erklimmt.

Im Fluss sein

Um Gipfel zu erklimmen, muss man im Fluss sein. Im Fluss sein, wiederum, können Sie durch Ihre mentale und physische Vorbereitung beeinflussen, obwohl Vorbereitung allein den Fluss nicht öffnet. Wichtig ist, dass Sie sich voll konzentrieren, Ihre Aktionen und Ihr Bewusstsein verbinden (also Kopf und Körper harmonisch vereinigen), sich wie ein Meister fühlen und richtig Freude am Fußball haben. In anderen Worten, Sie müssen den Fluss selbst herbeibringen. Ihre Leistung hängt von Ihnen selbst ab.

Csikszentmihalyis Buch Flow wurde gleich nach dem Erscheinen von den Dallas Cowboys in das Trainingsprogramm aufgenommen. Der Coach, Jimmy Johnson, sagte nach dem Gewinn der Superbowl, dass die Ideen im Buch wesentlich zum Gewinn beigetragen hätten. Sie sehen einmal wieder die Power des Mentalen. Magisch zu spielen, heißt Freude am Spiel zu haben und locker zu sein. Fast ohne Anstrengung und trotzdem schnell zu laufen und genau und hart zu schießen. Ein slow Motion Gefühl zu haben, auch Gefühle der Ehrfurcht (dass so eine Magie und Perfektion überhaupt möglich ist), ein phänomenaler Spielfluss und ein aus sich Herauskommen, ein Versinken im Spiel.

Wenn Sie in diesem Zustand sind, sind Sie total im Moment, bemerken Sie alles, auch die kleinste Kleinigkeit, sind Sie völlig bei der Sache, gehen fast in der Sache auf. Die Schwierigkeit ist, diesen Zustand hervorzurufen, zu erreichen. Dazu brauchen Sie eine absolute innere Ruhe und ein hohes Vertrauen in sich selbst und in der Sache. So wird es möglich, auf diesem Niveau zu spielen. Pele nennt diesen Zustand Euphorie: "Ich hatte das Gefühl, ich könnte den ganzen Tag laufen, ohne zu ermüden, dass ich jeden, selbst das ganze Team, umdribbeln könnte und dass ich fast durch sie durchlaufen könnte. Ich hatte auch das Gefühl, dass mich keiner verletzen könnte. Es was ein sehr seltsames Gefühl, ich hatte mich noch nie so gefühlt. Vielleicht war es nur Selbstvertrauen, aber das Gefühl hatte ich schon oft, das Gefühl der Unbesiegbarkeit aber noch nie."

In der Zone spielen

Konzentration, Stille und Vertrauen erzeugen "den Fluss". Das Entgegengesetzte, eine Unfähigkeit, das Mentale zu kontrollieren, Zweifel aufkommen zu lassen und sich selbst unter Druck zu setzen, blocken den Fluss. Aber, wie Pele berichtet, diese drei Merkmale allein erklären nicht die magische, mystische Power, von der viele erzählen. Der russische Gewichtheber Uri Vlasov beschreibt es ähnlich: "Auf dem Höhepunkt der Anstrengung, während das Blut im Kopf pocht, wird es plötzlich ganz still. Alles sieht klarer und weißer aus als zuvor. Da ist man überzeugt, dass man alle Power in der Welt hat, dass man alles machen kann, dass man Flügel hat. Es gibt keinen schöneren Moment als diesen, den weißen Moment. Man kniet sich auf Jahre in die Arbeit, um diesen Moment noch einmal zu erleben." Andere sagen, dass die Zeit sich plötzlich dehnt und alles ganz langsam vor sich geht. Auch weiß man, was als Nächstes geschehen wird. Man weiß, wo der Ball hingeht.

Wenn man in der Zone spielt, ist man plötzlich frei, nicht mehr unter Zwang. Reine Energie und reine Ordnung erzeugen totale Zusammenhänge. Man ist vollständig im Jetzt, aber auf einer anderen Ebene. Es ist ein spirituelles Gefühl. Alles ist leicht. Die ganze Mannschaft spielt, als ob elf Herzen zu einem zusammengeschmolzen sind. Das Leben sieht in diesem Moment perfekt und klar aus.

Die Frage ist: Wie kommt man in diese Zone?

Sich selbst vergessen

Man kann sein Handwerk bestens verstehen und in einem entspannten, doch konzentrierten Zustand sein. Aber das ist nicht genug, um in der Zone zu spielen. Selbst Visualisation, Meditation, Beratung, Entspannen und all die anderen Techniken der Sportspsychologen, können zwar die physischen und technischen Fähigkeiten fördern, aber sie führen nicht zum Fluss. Zen Meister glauben, dass diese Klarheit und Erleuchtung ein Zufall ist. Sie glauben aber auch, dass einige Aktivitäten diesen Zufall herbeirufen. Durch andauerndes Training, zum Beispiel. Man muss die Erleuchtung zwar suchen, darf aber nicht erwarten, sie zu finden. Jedoch ohne Suche gibt es keinen Fund. Der Zen Meister Dögen drückt es gut aus: "Um Buddha zu studieren, muss man sich selbst studieren. Um sich selbst zu studieren, muss man sich selbst vergessen. Man vergisst sich selbst, indem man eins wird mit dem, was man gerade macht. So sieht man, mitunter, den Zusammenhang aller Dinge."

Es besteht eine enge Beziehung zwischen Fluss, Gipfel und Zone. Fluss ist der Prozess, Gipfel und Zone sind die Ergebnisse. Wenn man empfangsbereit ist, kann dieser Moment der Anmut einen Spieler überkommen. Er ist aber nicht voraussehbar. Er kann nicht programmiert werden. Auch ist es fraglich, ob man gerade dazu bereit ist, ihn zu empfangen, den Moment also zu nutzen. Man kann somit die Empfangbereitschaft kultivieren, aber nicht den Moment hervorrufen.

Das Handwerk erlernen

Ein wichtiger Teil der Bereitschaft ist die Kunst des Handwerks. Sie müssen das ABC des Fußballs bestens beherrschen, um den Gipfel ersteigen zu können. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt er dann, wenn der Körper und Geist bis auf das Äußerste angespannt sind. Es kann also nicht in einem langweiligen Spiel geschehen. Wenn Sie die Kunst des Fußballs gut beherrschen, können Sie Ihre Energien aber auch richtig einsetzen. Wenn das nicht der Fall ist, also, wenn Sie die Kunst nur mittelmäßig beherrschen, bleibt Ihr Potential und das des Spiels unerfüllt.

Beim Handwerk geht es auch um die Erkenntnis der inneren Natur des Fußballs: die formelle Dynamik, die eingebauten Befriedigungen und die Geschenke und Forderungen des Spiels. Man muss die Feinheiten, Nuancen und Einzelheiten zu schätzen wissen. Diese schließen auch die Bedeutung, Geschichte und Kultur des Fußballs als Weltsport ein. Wenn man sich dem Handwerk Fußball hingibt, mindert sich der persönliche Druck. So wird man ein Teil des Ganzen, wie Gadamer schreibt, und folgt dem Spiel. Der Einzelspieler wird dann vom Spiel absorbiert und ist ein Ausdruck des Spiels. Das Spiel spielt den Spieler.

Man muss sich also, wenn man mit Inspiration spielen will, dem Spiel hingeben. Dazu gehört, dass man sein Handwerk versteht, die Bewegungen des Körpers, die Einstellung des Mentalen und die Verbindung des Körperlichen mit dem Mentalen. Um gut zu spielen, muss man den Fußball lieben. Erst wenn das Handwerk stimmt und man dem Fußball hingegeben ist, kann man sich in ihm verlieren. Das Bewusstsein sollte sich auf die Technik fokussieren. So kann das Unterbewusstsein das Schießen und Köpfen leiten. Excellenz im Fußball ist also nicht auf die traditionelle, aber falsche Idee zurückzuführen, dass man gute Instinkte und ein natürliches Talent braucht. Instinkte sind aber nur die Folge einer Ansammlung von Informationen und Fakten, mit denen man Entscheidungen trifft. Oder sie sind Intuition, also Ahnung. Ob Talent im Fußball eine natürliche Fähigkeit ist, ist zweifelhaft. Durch intensives, langjähriges Training kann fast jeder Mensch es lernen, gute, sogar vorzügliche Fähigkeiten zu entwickeln.

Gipfel, Fluss und Zone helfen uns, das geheime Leben des Fußballs zu verstehen. Sogar die Zuschauer sind mit eingeschlossen, denn sie fühlen sich stark angezogen vom Nervenkitzel und Drama eines selbst-übertreffenden Spieles und erkennen oder erahnen durch das Spiel ihre eigenen, außergewöhnlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

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