Vom Trainer zum Fazilitator

 

Ein autoritärer Führungsstil ist, wie schon gesagt, konträr zum Powerfußball, denn er schließt die Gehirnpower der Spieler aus. Die Spieler halten sich zurück. Meinungsverschiedenheiten kommen nicht zum Vorschein. Gute Ideen auch nicht. Der Problemlösungsprozess ist nicht effektiv. Alle Entscheidungen kommen von Ihnen, dem Trainer. Der Nettoeffekt ist, dass die Mannschaft nicht so erfolgreich ist, wie sie es sein könnte, wenn alle Spieler an Entscheidungen teilgenommen hätten. 

Ein Fazilitator ist ein Ermöglicher. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen, facilis, leicht. Ein leichter Führungsstil. Er hat viele Vorteile. , wie zum Beispiel, neue Ideen mit den Spielern zu erzeugen, schlummernde Probleme zu identifizieren, die Synergie der Gruppe zu wecken, und die Ideen der Spieler zu bereichern. 

Professoren an Eliteuniversitäten in NA wechseln immer häufiger ihren Lehrstil. Anstatt autoritäre Vorlesungen zu halten – einer redet, die anderen hören zu – arbeiten sie mit den Studenten in Lerngruppen. So steigern sie den Spaß am Lernen, die Involvierung der Studenten, die sich oft auch nach den Seminaren treffen und oft zu engen Lerngruppen zusammen wachsen. Die Kursbewertungen der Professoren, die auf diese Weise unterrichten, schnellen nach oben. Eine besondere Art von Lernen, die „drüben“ einen großen Impakt hat, heißt transformatives Lernen. Diese Art von Lernen, eine tiefenpsychologische Art, ist in Europa noch nicht angekommen, obwohl sie hier ihren Ursprung hat.

Auf den Fußball transferiert, ein fazilitativer Führungsstil reduziert negative Gefühle und steigert die Kooperation und das Vertrauen innerhalb der Mannschaft.  Er erzeugt eine offene Atmosphäre, in der Spieler Ideen erzeugen und austauschen können. Spieler werden auf diese Weise oft von anderen Spielern ermutigt, sich zu verbessern. Probleme werden gemeinsam gelöst. Die Qualität der Entscheidungen verbessert sich. Die Spieler fühlen sich für alles mitverantwortlich.  Mit der Zeit, wenn dieser Stil einmal tief in der Mannschaft Fuß verwurzelt ist, steigert sich die Spielqualität und der Erfolg. Oft dramatisch. Wie wird man zum Fazilitator?

Führungsqualitäten eines Fazilitators

Hier sind einige Qualitäten.  Ein Fazilitator …

  • lernt zuzuhören. Leicht gesagt, aber schwer getan, wenn man es nicht gewohnt ist und lieber gern selbst redet und Befehle erteilt.
  • stellt Fragen. Stellen Sie ehrliche Fragen, das heißt, stellen Sie Fragen ohne manipulierende Hintergedanken. Geben Sie den Spielern genügend Zeit über eine Frage nachzudenken. Die Spieler sollten keinen Druck spüren, die Frage „richtig“ zu beantworten, das heißt, wie Sie es erwarten. Wenn die Spieler merken, dass Sie eine gewisse Antwort erhalten wollen, brauchen Sie keine Fragen mehr zu stellen.  Dann verlieren Sie an Glaubwürdigkeit.
  • tauscht Ideen und Gefühle mit den Spielern aus. Sie können den Anfang machen, sollten dann aber ruhig sein, damit andere ihre eigenen Ideen und Gefühle ausdrücken können. Wenn ein Spieler etwas sagt, und Sie aufmerksam zuhören, erwerben Sie den Respekt des Spielers. Unterbrechen Sie ihn aber laufend, und drängen Sie ihm Ihre eigene Meinung auf, wird es keinen Gedankenaustausch mehr geben können.
  • hilft gemeinsame Probleme zu lösen. Lernen Sie einen Standard Problemlösungsprozess und wenden sie ihn routinemäßig an. Noch besser, lehren Sie diesen Prozess Ihren Spielern. Die Stufen sind: eine Problemsituation analysieren, das Problem genau zu definieren, Alternativen vorzuschlagen, sich für die beste Alternative zu entscheiden, einen Aktionsplan zu entwerfen, ihn durchzuführen, und ihn zu bewerten.
  • hilft Konflikte zu schlichten. Konflikte sind unvermeidlich. Ein Fazilitator weiß, wie man Konflikte wohlwollend untersucht und konstruktiv, zusammen mit den Spielern, löst.
  • entscheidet mit den Spielern. Wenn Sie ein effektives Team haben wollen, müssen Sie einen partizipativen oder delegierenden Führungsstil entwickeln. Spielerbeteiligung ist ein Muss im Teamsport.  Ein autoritärer Stil, die Norm, ist besonders im Teamsport Fußball fehl am Platz.  
  • akzeptiert, was die Spieler sagen. Sie sind willig, den Spielern zuzuhören, ohne was sie zu sagen haben lächerlich zu machen, und ohne sie als dumm oder geistlos darzustellen. Geben Sie den Spielern eine Chance, sich auszudrücken, insbesondere den ausländischen Spielern, denn sie brauchen Zeit, in ihrem Gedächtnis nach den richtigen deutschen Worten zu suchen.  Wenn eine Idee nicht durchführbar ist, sagen und begründen Sie es dem Spieler, der sie vorschlägt. Akzeptieren Sie, was man ihnen sagt.
  • entwickelt Einfühlungsvermögen. Wenn Sie es noch nicht können, müssen Sie und Ihre Spieler es lernen, Empathie füreinander zu entwickeln. Sie müssen versuchen zu verstehen, wie der andere denkt und fühlt – also nicht nur ausdrücken, wie Sie denken und fühlen – und Ihr Verstehen dem anderen vermitteln können. 
  • entwickelt ein Gruppenführungsstil mit seinen Spielern. Nicht nur Sie, auch die Spieler sollten es lernen, wie man eine Gruppe führt. Dazu gehört z.B. die Fähigkeit, zusammen Aufgaben zu lösen, oder Diskussionen zu steuern, ohne vom Thema abzuweichen, oder den Ideenaustausch der Spieler zu steuern, ohne Ihre eigene Meinung in den Vordergrund zu stellen.

Ein Beispiel

Wenn ein Spieler mit einem Problem zu Ihnen kommt, bitten Sie ihn, die Problemsituation zu beschreiben. Sagen Sie so etwas wie: „Das ist interessant. Hast du schon an mögliche Lösungen gedacht?“  Je nach Antwort, könnten Sie weiter fragen:  „Welche mögliche Lösungen gibt es?“  Dann:  „Welche von diesen hältst du für die beste?“ So sagen Sie nie, was Sie denken, sondern helfen dem Spieler, seine eigenen Probleme zu lösen.  Sie müssen nur genau unterstützend zuhören und dem Spieler Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken.

Üben Sie diesen Problemlösungsstil laufend, wird er zur Gewohnheit. Sie stellen Fragen und helfen Ihren Spielern Antworten zu finden. Sie geben die Antworten nie selbst. Denn im Umgang mit Menschen gibt es meist keine „richtige“ Antwort. Sie helfen Ihren Spielern die Antwort zu finden, die für Ihre Spieler – nicht für Sie, dem Fazilitator – richtig ist. Das Wichtigste ist, dass die Antwort von den Spielern kommt. Sie ist dann deren Eigentum und Verantwortung. Sie fühlen sich auf diese Weise verpflichtet, denn die Antwort kommt aus ihren eigenen Gedankengängen und Gefühlen. Sie helfen ferner, sanft und wenn es geht, mit Gefühl, die Ideen und Energien aller Spieler in eine gemeinsame Richtung zu steuern: nämlich zusammen erstklassigen Fußball zu spielen. Das heißt es, Spieler zu führen. Für eine Fußballmannschaft ist das der ideale, der einzig erfolgreiche Führungsstil. 

Die Kunst der Menschenführung

Kein Mensch will eigentlich von anderen geführt werden. Warum nicht? Weil wir alle anders geartet sind. Keine zwei Menschen sind gleich oder waren je gleich. Das sieht man nicht nur an der Verschiedenheit von Fingerabdrücken oder aus DNA Analysen, sondern besonders an der Struktur des Gehirns. Die Hunderte von Milliarden Gehirnzellen bilden unzählige total unterschiedliche Synapsen und Verbindungen im Gehirn. Um das auch nur annähernd zu verstehen, werden wir ein paar Hundert Jahre Forschung treiben müssen.

Schon Babys fangen an zu schreien, wenn sie nicht ihren Willen haben können. Denn alle Kinder, auch ein-eigige Zwillinge, sind anders gepolt als ihre Eltern. Auch lernen Babys von Anfang an, von der Natur mit eingegeben, weil sie selbst wehrlos sind, die Eltern zu manipulieren, ihre einzige Abwehrwaffe. Eltern glauben zu wissen, was gut für ihre Kinder ist. Ein kapitaler Denkfehler, denn Eltern haben nicht die geringste Ahnung, was in den Köpfen ihrer Sprössling vor sich geht. Die Kluft zwischen Kindern und Eltern erweitert sich, wenn aus Kindern junge Menschen werden. Zwei Triebe setzen sich dann durch: der Selbsterhaltungstrieb und der Reproduktionstrieb.So lösen sich die Sprösslinge von den Eltern und begeben sich auf unbekannte Lebensbahnen.

Gleichzeitig setzt sich Darwins Prinzip durch: survival of the fittest (der Stärkste überlebt). Dieser Prozess führt automatisch zum autokratischen Führungsstil. Dieser Stil ist besonders bei Denkern stark ausgeprägt. Sie wollen mit aller Macht (Power) über und für andere entscheiden. Sie können es jedoch selbst nicht ausstehen, wenn andere ihnen sagen, was sie zu tun haben. Stoßen Denker sich ein wenig die Hörner ab, konsultieren sie gelegentlich mit ihren Untertanen – in der Familie und in Organisationen. Passt das, was man ihnen sagt, nicht in ihr Denkgefüge, können sie erhaltenen Rat nicht annehmen. Wenn, dann nach langem Nachdenken.

Andere Menschentypen, die nicht in der Lage sind eine Sache klar zu durchdenken – wie Gefühlsmenschen, die sich nach Werten richten, und Empfindungsmenschen, die sich von ihren fünf Sinnen leiten lassen – fühlen sich wohler mit einem partizipativen Führungsstil. Intuitive Typen dagegen, die sich nach ihrem Ahnungs- oder sechsten Sinn richten, bevorzugen es, Aufgaben zu delegieren, weil sie zukunftsgeprägt sind und selbst schnell das Interesse am Gegenwärtigen verlieren.

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