Organische Taktik 3

Eine organische Taktik entsteht auf natürliche Weise. Sie ist daher immer anders. Teile dieser Taktik harmonieren miteinander und mit dem Ganzen.  Sichelverteidigung und Ellipsenförmige Angriffe sind nur zwei Teile.  Selbst sie, da sie so viele (zehn) Spieler umfasst, sieht als Formation immer anders aus. Zusätzlich sind bei diesen Formationen alle Spieler laufend in Bewegung. Sie stehen nie herum, sind nie statisch.   

Der Idealfall: Steilangriffe

Die effektivste und daher bevorzugste Art anzugreifen ist im Powerfußball der Steilangriff. Der Torwart fängt den Ball ab, läuft blitzschnell zur Strafraumgrenze, und wirft den Ball dem bestplatzierten Mitspieler in den Lauf. Dieser wiederum leitet ihn sofort, im one-touch, als Steilpass, dem bestplatzierten, vorn lauernden Mitspieler in den Lauf. Täuschung und Geheimsprache ermöglichen den Torschuss, schon aus 40 Metern. Immer wieder. Blitzschnelles Denken und Handeln ist erforderlich, höchste Konzentration. Kein sinnloses Hin und Her Geschiebe des Balles. Keine auf gut Glück nach vorn gehauenen Bälle.

Können Sie sich vorstellen, wie viele Tore in einem Spiel fallen werden, wenn Spieler diese Art zu spielen perfektioniert haben?

Es wird keine 1:0, oder 3:2 Ergebnisse mehr geben. Diese magere Torausbeute nenne ich Glücksfußball. Mitunter trifft ein Spieler den Ball mal richtig und er geht ins Tor. Hurrah! Große Freude auf den Rängen. Aber eigentlich ein Armutszeugnis, ein Unding: in 90 Minuten nur ein oder zwei Tore zu schießen. Das dürfte es gar nicht geben. Ein neues Denken ist gefragt. Ein neues System wird benötigt.

Der Ausgang eines jeden Bundesligaspiels ist reine Glückssache! Kein Können, reines Glück! Daher das wilde Durcheinander in der Tabelle, heute oben, morgen in der Mitte, übermorgen im unteren Drittel.

Gäbe es Vereine, die nur Powerfußball spielen, würden die Ergebnisse zwangsweise alle zweistellig ausfallen, z.B., 18:12, 16: 14, usw. Denn jeder zweite oder dritte Steilangriff führt zu einem Tor. Die Zuschauer sind laufend am Jubeln. Glücksfußball wird zur Performance, zur Kunst erhoben.

Fallen stellen 

Wie verteidigt man im Powerfußball?  Indem man in Igelform einen Sichelbogen 30 Meter vor dem eigenen Tor aufstellt.  Sobald ein eigener Angriff gescheitert ist, ziehen sich die Spieler in Harmonikaform zurück, um eine Igelform einzunehmen.  Dabei geht jeder Spieler direkt zurück:  also, steht er links vorn, geht er nach links hinten zurück.  So erreicht er sein Ziel schnell und leicht.

Ziel der Verteidigung ist, Tore zu verhindern und den Ball zurückzuerobern.  Tore verhindert man, indem man verhindert, dass der gegnerische Spieler zum Torschuss kommt.  Den Ball erobert man zurück, indem jeder Spieler versucht, dem Gegner den Ball wegzuspitzeln oder den Ball abzufangen, wenn er vom Gegner hin und her geschoben wird.  Das tut man am besten, indem man Fallen stellt.

Das Konzept, dem Gegner in der Abwehr Fallen zu stellen, ist eng verbunden mit dem Konzept, den Gegner beim Angriff zu täuschen.  Zwei Seiten einer Münze. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Erscheine unorganisiert, tue, als ob du nicht richtig weißt, wen du zu decken hast.
  • Erscheine fahrig, so dass der Gegner dich unterschätzt.
  • Ziehe Dich von deinem direkten Gegner zurück und guck woanders hin; behalte den Mann mit dem Ball jedoch im Augenwinkel; biete den Ball deinem Gegenspieler förmlich an. Dann stoß blitzschnell zu und fange den Pass ab.
  • Bewege dich langsam, dann rechnet der Mann mit Ball nicht damit, dass du fähig bist, seinen Pass abzufangen.
  • Bewege und benehme dich immer so, dass der Gegner dich unterschätzt und unvorsichtig wird.
  • Verwirre und verunsichere den Mann am Ball, laufend; alle Verteidiger benehmen sich so, als ob die Verteidigung ein Hühnerhaufen wäre, der total durcheinander ist.
  • Zeige dem Mann am Ball scheinbare Lücken auf.
  • Drossel das Tempo, scheine dich wie im Zeitlupentempo zu bewegen.
  • Zeige dich ängstlich, damit der Gegner übermütig wird.
  • Greife den Gegner immer nur dann an, wenn er es nicht erwartet.
  • Verhindere, dass sich der Gegner gut organisiert.
  • Bewege dich immer so, dass der Gegner überrascht ist.

Andere Täuschungsmanöver und Fallen sollte die Mannschaft in einem Seminar ausklügeln.

Wohin solltest du den Ball spitzeln?  Ihn einfach wegzuspitzeln hilft wenig, wenn er wieder beim Gegner landet.  Du spitzelst den Ball in den offenen Raum und zwar so, dass eigene Spieler, die wissen, wie du denkst (denn sie denken genau so wie du), den Ball erreichen können. Spitzeln ist eine Hin und Her Bewegung. Verfehlst du den Ball, geht’s du sofort in die vorherige Abwehrposition zurück.

Zu zweit am Mann

Bei der Abwehr sollten immer zwei Spieler den ballführenden Angreifer decken.  Decken heißt, vor dem Angreifer hin und her zu tänzeln, entweder nebeneinander oder hintereinander, je nach Gegebenheit, und ihn zum Abspiel, nie aber zum Torschuss, zu zwingen. Die beiden Verteidiger wechseln sich laufend ab, je nachdem, wo sie in der Igelabwehr positioniert sind.  Wann wer wen deckt, ist schwer zu beschreiben, kann aber schnell erlernt werden. 

Die Prinzipien bei der Abwehr lauten also: 

  • Immer zwei Deckungsspieler am Ball. 
  • Den Gegner nicht angreifen, ihn zum fehlerhaften Abspiel zu verleiten.
  • Zwei Meter vor ihm zu tänzeln, (nicht still zu stehen!). 
  • Den Gegner nie zum Torschuss kommen zu lassen.
  • Den Ball in den freien Raum wegzuspitzeln, so dass ein eigener Spieler ihn erreichen kann.

Soll der Gegner doch den Ball vor der eigenen Abwehrkette uneffektiv hin und her spielen.  Irgendwann macht er einen Fehler. Der Druck liegt bei den Angreifern. Die eigene Abwehr kann sich ein wenig ausruhen, denn sie braucht sich nicht viel zu bewegen. Sie ist nur wachsam und wartet auf Fehler oder Unachtsamkeiten des Gegners.

Ein Supergehirn entwickeln

Im Fußball geht es um individuelles und Team Lernen. Individuelles Lernen (Torschuss, Pass und Täuschung) ist leicht zu unterrichten. Es ist Routine-Lernen. Team-Lernen, zu dem auch die Taktik gehört, ist weitaus schwieriger zu vermitteln. Die Herausforderung ist, wie gesagt, aus 22 Gehirnen eins zu machen. Die Spieler sollten sich so gut kennen lernen und verstehen, dass Sie auf dem Spielfeld mit einem Gehirn auftreten.Versteht man, wie das geht, und ist man erfolgreich, ist eine solche Elf, insbesondere wenn die Spieler aus der gleichen Gegend kommen, und wenn man die effektivsten Trainingsmethoden anwendet die es gibt, unschlagbar. Eine Söldnerelf, zusammengesetzt aus den besten Spielern der Welt, hat da keine Chance. Söldner bleiben Söldner, sie werden ausgeliehen, um für andere zu kämpfen.

Die gemeinsame Brainpower von 11 Spielern plus, sagen wir, 5 Ersatzspielern, ist 17 mal so groß wie die eines Einzelspielers!!! Da jedes Gehirn total anders strukturiert ist, kann es nicht anders sein. Die Aufgabe des Fazilitators ist es also, 17 Gehirne „unter einen Hut zu bringen“. Gelingt das, bildet sich automatisch Teamgeist. Anders ausgedrückt, Sie produzieren auf diese Weise ein Mannschaftssupergehirn. Alle denken und agieren über fußballerische Angelegenheiten gleich. Das Mittel, ein Supergehirn zu kreieren, ist kontinuierliche Gruppenarbeit.

Die Herausforderung ist, sich eine neue Art zu spielen vorstellen zu können. Jedenfalls ansatzweise. Denken Sie an 11 torhungrige Scharfschützen, die nichts weiter im Kopf haben als in Schussposition zu kommen, daher noch vorn orientiert sind, damit sie den Ball mit so einer Härte aufs Tor knallen können, dass dem guten gegnerischen Torwart Angst und Bange wird. Möchten Sie Torwart sein, oder in der Mauer stehen, wenn ein Powerballerknaller aus zwanzig Metern abzieht? Ich nicht! Powerfußballer sind eine neue Gattung: sie spielen zu 90% durch den Kopf. Sie verschwenden keine unnütze Energie. Sie können drei Spiele hintereinander absolvieren. Garantiert!

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