Mechanistischer Fußball gegen organischen Powerfußball

Systeme bestimmen Effektivität und Erfolg von Organisationen.  Ist das System schlecht (nicht gut durchdacht, veraltet, etc.), hemmt es Leistung und Erfolg.  Im Design von Organisationen – Fußballvereine sind ja auch Organisationen – gibt es zwei extreme Systeme.  Eines ist das mechanistische System; es ist gekennzeichnet u.a. durch formelle Strukturen und wenig Mitbestimmung.  Die Struktur definiert wie Aufgaben, z.B. Tore zu schießen und zu verhindern, aufgeteilt, gruppiert und koordiniert sind.  Auf der anderen Seite des Spektrums finden wir das organische oder offene System; es ist flach, kennt  keine Abgrenzungen und involviert Teilnehmer auch als Entscheidungsträger.  Welches System passt wohl besser zum Fußball?  Ebenso, welches System wird im Fußball angewendet?

Das mechanistische Model

Alle Fußballvereine auf der ganzen Welt spielen nach dem mechanistischen System.  Es besteht aus Positionsbeschreibungen (z.B. hinten links, Mitte, rechts) und einem starren taktischen Spielsystem (z.B. 4-3-3, 3-4-3).  Ein Verein hat’s dem anderen abgeschaut.  Das System ähnelt einer kleinen Bürokratie, mit genauen Rollenbeschreibungen.  Einer, der Trainer, hat das Sagen um die Mannschaft.  Er trifft fast alle Entscheidungen.  Die Spieler machen nur das, was sie vom Trainer aufgetragen bekommen, d.h. wofür sie verantwortlich sind.  Alle Spieler erhalten andere Anweisungen (du spielst vorn in der Mitte; hier ist dein Gebiet)  Die füllen oft eine ganze Seite.  Keiner weiß genau, was die Aufgaben seiner Mitspieler sind, denn die Rollenbeschreibungen sind oft zu lang, um sie auswendig zu lernen.  Daher weiß jeder Spieler relativ wenig über die Aufgaben seiner Mitspieler, deren Territorium an sein angrenzen.  Nur der Trainer übersieht das Ganze.  Er hat Positionspower.  Er hält alle Fäden in der Hand und trifft fast alle Entscheidungen.  Die Spieler folgen seinen Anweisungen.  Wenn sie aufmucksen, werden Sie bestraft: sie spielen nicht oder werden ausgewechselt.  Wenn Spieler bockig sind und nicht den Vorstellungen des Trainers entsprechen, werden sie verkauft.  Übertreibt der Trainer sein autokratisches Führungswesen, kommt es zur Spieler Revolte.  Die ist meist passiv, auf Apathie und Lustlosigkeit aufgebaut. 

Unter diesem System wird heute Fußball gespielt.  Elf Spieler folgen den Anweisungen von einem Menschen, dem Trainer.  Er ist verantwortlich.  Wenn es nicht klappt, also wenn die Mannschaft zu oft verliert, wird er, der Entscheidungsträger, rausgeworfen.  Dabei reden wir oft von Teamwork.  Die Spieler sind ein Team, sagt man – und hat recht.  Nur passt das mechanische Design nicht zum Teamsport.  Da liegt der Fehler.  Es ist nicht nur ein kleiner Fehler:  es ist ein großer Design Fehler, fast ein Oxymoron.   Kreativität, flüssiges Spiel, Spielfreude und eine hohe Torausbeute – werden unterdrückt durch falsches Design.  Gute Teamarbeit kann so gar nicht aufkommen. 

Kurz gesagt, Design und Sinn des Fußballs passen nicht zueinander.  Der heutige Fußball ist also nicht das, was er sein könnte.  Ein Systemwechsel ist dringend benötigt, damit der Fußball seine auferlegten Fesseln abstreifen kann. 

Das organische Model

Wenn man bedenkt, dass Fußball ein Teamsport ist, dass also Entscheidungen von den Teammitgliedern mitgetroffen werden sollten, und dass Spieler, wenn sie als Team arbeiten, Generalisten wie auch Spezialisten sein sollten, passt das mechanische Model überhaupt nicht zum Fußball.  Daher das abgehackte, leicht auszurechende, oft einfallslose Spiel, das zu Recht von Reportern kritisiert wird.  Ein Spieler-Generalist kann überall spielen, vorn und hinten, rechts und links.  Er kann auch mit beiden Füßen Tore erzielen.  Wenn er angreift, lernt er eine Reihe von Täuschungsmanövern, um an gegnerischen Verteidigern vorbei zu kommen.  Wenn er verteidigt, nutzt er dieses Wissen, um Angreifern effektive entgegen zu treten.  Ein guter Stürmer wird so leicht nicht vom Gegner ausgespielt, wenn er verteidigt.  Da würden Spieler wie Henry und Zidane Schwierigkeiten haben, Stürmer-Verteidiger auszutricksen.  Im gegenwärtigen Spiel ist dies noch ziemlich leicht.  Die Taktik ist ein offenes Raumsystem:  jeder Spieler öffnet Räume wenn er angreift; und schließt Räume wenn er verteidigt.  So wird das Spiel dynamisch, offen und immer anders.  Es gibt also keine auswendig gelernte taktische Varianten.  Das Spiel wird laufend modifiziert um sich den laufend ändernden Situationen anzupassen und sie zu optimieren.  Innoviert wird auf dem Platz, nicht vor dem Spiel. 

Ein organisches System führt zum Powerfußball.  Hier gibt es weder Positionen noch eine vorgeschriebene Taktik.  Die Spieler hängen nicht vom dem oft limitierten Wissen des Trainers ab.  Stattdessen maximiert der Trainer das kollektive Wissen seiner Spieler.  Der Trainer lernt so genau so viel von den Spielern, wie die Spieler von einander.  Entscheidungen werden zusammen getroffen.  Nicht nur die Spieler lernen, der Trainer lernt auch.  Sein Wissen kommt von den Spielern, nicht von Tagungen oder Kursen.  Er besitzt die Fähigkeit, das oft unbewusste Wissen der Spieler bewusst zu machen.  Das ergibt Power, Macht, denn das Wissen, wie auch das Potential eines Menschen ist unbegrenzt.  Trainer und Spieler – nicht die Vereinsfunktionäre – definieren so den Verein.  Sie, nicht der Vereinsboss, sind voll verantwortlich für alles, was auf und außerhalb des Fußballplatzes passiert. 

Im Powerfußball verändern sich alle Ebenen im Verein, vom Präsidenten bis zum Platzwart.  Auch die Erwartungen der Zuschauer werden sich steigern, denn sie werden in kürzester Zeit ein gutes, flüssiges, freudiges Spiel zu schätzen lernen. 

 

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